Leistungsüberprüfung bzw. Sparmassnahmen an Mittelschulen

Kurz vor den Frühlingsferien hat die Zürcher Regierung die seit langem erwarteten Massnahmen der Leistungsüberprüfung 2016 präsentiert. Lesen Sie die gemeinsame Stellungnahme von Schulleiterkonferenz, Schulkommissionspräsidien, Lehrpersonenkonferenz und Mittelschullehrpersonenverband:

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Leistungsabbau anMittelschulen

 

Am 13. April hat die Zürcher Regierung die seit langem erwarteten Massnahmen der Leis- tungsüberprüfung 2016 präsentiert. Die Befürchtungen haben sich bewahrheitet: Die Bil- dungsdirektion will bei den Mittelschulen von 2017 bis 2019 insgesamt 43,6 Mio. CHF ein- sparen. Die Folge davon ist ein irreversibler Leistungsabbau, der stark zu Lasten des Unter- richts geht und die Arbeitsbedingungen der Lehrpersonen markantverschlechtert.

 

Konkret schlägt das Massnahmenpaket wie folgt zuBuche:

 

 

2017

2018

2019

2017-2019

Erhöhung Pflichtpensum von 22 auf 23Lektionen für Deutsch und moderneFremdsprachen

1,3

4,0

4,0

9,3

ÄnderungFinanzierungsmodell

4,1

4,2

4,3

12,6

Optimierung vonKlassengrössen

3,0

3,0

3,0

9,0

ErhöhungGebührenfürSchulraumundSportanlagen

0,2

0,2

0,2

0,6

Abzug von Lektionen während derHauswirtschafts- kurse

1,6

1,5

1,4

4,5

Kürzung der Mittel fürMediotheken

0,2

0,7

0,7

1,6

Reduktion derBauinfrastrukturkosten

2,0

2,0

2,0

6,0

Total

12,4

15,6

15,6

43,6

 

Zu den einzelnenMassnahmen

Erhöhung des Pflichtpensums für Deutsch und moderneFremdsprachen

Die geplante Erhöhung des Pflichtpensums kommt einer faktischen Lohnkürzung gleich. Die letzte Arbeitszeitstudie kommt zum Schluss, dass Lehrpersonen an Mittelschulen schon heute zu viel arbeiten. Eine Erhöhung von Pensen wird in keinem Bildungsbericht der Vergangenheit je in Be- tracht gezogen. In Zukunft stehen neue Herausforderungen an zum Beispiel bei den Studierkom- petenzen und der Integration. Dennoch soll ein Teil der Lehrpersonen die Konsequenzen für einen finanzpolitischen Engpass tragen, für den sie nichtskönnen.

Die Bildungsdirektion und das Mittelschul- und Berufsbildungsamt haben die unterschiedliche Lekti- onenverpflichtung bis heute als sachlich begründet anerkannt: „Die unterschiedlichen Pflichtpensen berücksichtigen insbesondere den je nach Fach unterschiedlichen Aufwand für Korrekturarbeiten“, heisst es im Bericht der Bildungsdirektion an den Bildungsrat von 2006. Die Pensenzahlen wurden auch im Projekt „Führung und Organisation“ nie in Fragegestellt.

Es ist offensichtlich, dass die selektive Erhöhung der Lektionenverpflichtung ausschliesslich aus fi- nanzpolitischen Überlegungen vorgenommen werden soll. Dies verstösst gegen die Rechtsgleichheit, da jede sachliche Grundlage für diesen Entscheid fehlt. Der unterschiedliche Aufwand für Korrektur- arbeiten bleibt bestehen, die Belastung für Lehrpersonen unveränderthoch.

Die vorgeschlagene Massnahme täuscht Gerechtigkeit durch Angleichung von Lektionenverpflichtun- gen vor, bedeutet für einen Teil der Lehrerschaft aber nichts anderes als eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Ein solcher Eingriff ist ein verhängnisvolles Signal an alle Lehrpersonen, dass der Arbeitgeber die Löhne jederzeit indirekt antasten kann, indem er ihre Pensenerhöht.


ÄnderungFinanzierungsmodell

Die Regierung will die Mittel für das Gymnasium reduzieren (unterschiedliche Finanzierungsschlüs- sel für das Untergymnasium und das Obergymnasium) und gleichzeitig den Zugang zum Untergym- nasiumbeschränken(spätereAufnahmeinsGymnasiumbeigleichzeitigerSenkungderAusfallquo- te). Der hohe Sparbetrag zeigt, dass dafür massive Eingriffe nötig sind und die Änderung der be- währten Finanzierung die Mittel der Schulen markanteinschränkt.

Die geplanten Massnahmen werfen Fragen auf: Wie viele Schülerinnen und Schüler werden in Zu- kunft nicht mehr ins Untergymnasium aufgenommen? Wie werden die Aufnahmeprüfungen gesteu- ert? Welchen Einfluss hat es auf die Gemeindefinanzen, wenn mehr Schülerinnen und Schüler in die Sekundarschule wechseln? Wie soll die Ausfallquote in der Probezeit gesteuert werden? Wie ver- schlechtern sich die Bedingungen für Schülerinnen und Schüler in grossen Klassen? Welche Auswir- kungen hat der neue Finanzierungsschlüssel auf die Durchführung von Freifächern und Projektkur- sen?

Sicher ist, dass eine Zugangsbeschränkung zum Untergymnasium den Druck auf die Primarschule weiter erhöht und dazu führt, dass noch mehr Vorbereitungskurse belegt werden. Wenn zusätzlich für die Prüfung trainiert wird, gewinnt die Probezeit als Diagnoseinstrument weiter an Bedeutung. Deshalb ist zu bezweifeln, dass eine Reduktion der Aufnahme automatisch eine Senkung der Ausfall- quote in der Probezeit zur Folgehat.

 

Klassengrössenoptimieren

Eine temporäre Erhöhung der Schülerzahlen in den Klassen ist prüfenswert, wenn damit ein irre- versiblerAbbauverhindertwerdenkannunddieBelastungfürdieLehrpersonennichtgleichzeitig in anderen Bereichenansteigt.

Zusammenlegungen von Klassen sind für alle Beteiligten eine grosse Herausforderung. In Anbetracht der Sparvorgabe ist eine temporäre Erhöhung Schülerzahlen in Klassen, Wahl- und Freifachkursen aber prüfenswert. Problematisch ist sie dann, wenn sich die Arbeitsbedingungen der Lehrpersonen gleichzeitig in anderen Bereichen verschlechtern. In Kombination mit den Lohnreduktionen, den Pen- senerhöhungen und dem finanziellen Abbau im Untergymnasium belasten sie die Einzelnen und das System.

 

Moderate Erhöhung von Gebühren und Mieten von Schulraum undSportanlagen

DadiesereversibleMassnahmedasKerngeschäftdesUnterrichtsnichtbetrifft,istsievertretbar.

 

Abzug von Lektionen während derHauswirtschaftskurse

Mit der Bezahlung von Lektionen werden im Schulwesen auch zusätzliche Bereiche des Berufsauf- trages entschädigt, zum Beispiel die Funktion als Klassenlehrperson, Aufnahme- und Abschlussprü- fungen oder Schulentwicklungsprojekte. Wenn nun ausfallende Lektionen während der Hauswirt- schaftskurse vom Stundenkonto abgezogen werden sollen, kommt dies einer weiteren indirekten Lohnkürzunggleich.

Das Verwaltungsgericht hält fest, dass die Erfüllung der Arbeitspflicht im Rahmen der kantonalen Arbeitszeit von rund 1960 Stunden/Jahr möglich sein muss. Arbeitszeitstudien kommen aber zum Schluss, dass Mittelschullehrpersonen im Schnitt deutlich mehr arbeiten. Der Abzug ist deshalb nach gängiger Rechtsauffassung nichtzulässig.

Die vorgeschlagene Massnahme stellt die Aufgabenorientierung der Mittelschullehrpersonen und ihr Commitment in Frage, das bisher allen Belastungen Stand gehalten hat. Ein hohes Verantwortungs- bewusstsein ist die wichtigste Garantie für Unterrichtsqualität, insbesondere in Zeiten hoher Belas- tungen und stagnierender Löhne (1992 2016). Die minimalen Beträge, die mit dieser Massnahme eingespart werden können, stehen in einem starken Missverhältnis zu den damit verbundenen Risi- ken.

Mediotheken

Bei den Mediotheken ist zu bedenken, dass sie neue Aufgaben bei der Ausbildung der digitalen Recherchekompetenz übernehmen und den Schülerinnen und Schülern betreute Arbeitsplätze und eine Vielzahl von Medien zur Verfügung stellen. Auch bleibt das Buch ein wichtiges Kulturgut unse- rer Gesellschaft und hat für die Mittelschulen zentraleBedeutung.

 

Reduktion derBauinfrastrukturkosten

DadiesereversibleMassnahmedasKerngeschäftdesUnterrichtsnichtbetrifft,istsievertretbar.

 

 

AlternativeVorschläge

Am Tag der Bildung wurden wir aufgefordert, eigene Vorschläge in die Diskussion einzubringen. Ob- wohl gerade die Mittelschulen in der Vergangenheit mit der Verkürzung der Schuldauer, der Senkung der Finanzierungsbeiträge und wiederkehrenden Sparauflagen bereits deutliche Einschnitte erfahren mussten, nahmen wir dieses Angebotan.

Unser Anliegen bleibt eine strategische Diskussion, die langfristig angelegt ist und die Bildungspolitik nicht kurzfristiger Sparpolitik unterordnet. Wir verfolgen das Ziel, den negativen Einfluss der Spar- massnahmen auf die Unterrichtsqualität so gering wie möglich zu halten. Vor allem wollen wir dieje- nigen Entscheide verhindern, die irreversibel sind. Es wäre fatal, die Qualität des Unterrichts und das System dauerhaft zu schwächen und die Arbeitsbedingungen von Lehrpersonen zu verschlechtern, denn gute und motivierte Lehrkräfte sind mehr denn je der Schlüssel zu erfolgreicher Bildung. Dies umso mehr, als sich die finanzielle Lage des Kantons schon bald wieder ändernkann.

Die Vorschläge der Mittelschulen enthalten keine irreversiblen Eingriffe in den Unterricht und hal- ten den Schaden für den Kernauftrag der Schule inGrenzen:

             Mit dem Aufschub der Wiedereinführung der Hauswirtschaftskurse könnten jährlich rund 6 Mio. CHF und für die Periode 2017 – 2019 somit 18 Mio. CHF eingespart werden. Der Schaden dieser Massnahme wäre vergleichsweise gering, zumal wieder finanzieller Spielraum vorhanden ist, sobald die Mittelschulen ihren Beitrag an die Sanierung der BVK geleistethaben.

             Weiteres Sparpotenzial in Höhe von 0.3 – 0.5 Mio. CHF pro Jahr sehen wir in der Sistierung von Evaluationen und Ehemaligenbefragungen für drei Jahre. Das etablierte System des Qualitäts- managements würde dabei keinen Schaden nehmen. Dies umso mehr, als das „Herzstück“ des Qualitätsmanagements, die Mitarbeiterbeurteilungen, von dieser Massnahme nicht betroffenist.

             Mit einem Moratorium für nicht zwingend notwendige Schulentwicklungsaufträge könnten weitere 0.2 – 0.3 Mio. CHF pro Jahr eingespartwerden.

             Zusammen mit der Erhöhung von Gebühren, der Reduktion der Infrastrukturkosten und einer temporären Erhöhung der Klassengrössen umfassen die Vorschläge ein Sparpotenzial von 11 – 14 Mio. pro Jahr und erfüllen damit den grössten Teil derVorgabe.

Die Mittelschulen haben in der Vergangenheit bereits deutliche Einschnitte erfahren und bewegen sich am Limit ihrer Möglichkeiten. Gleichzeitig sind die Ansprüche an die Schulen und die Lehrperso- nen gestiegen, und sie werden weiter steigen, wie die Diskussionen an den beiden Schnittstellen zur Volks- und Hochschule nahelegen. Auch die Migration und der Wandel der Wissensgesellschaft stel- len die Mittelschulen vor zusätzlicheHerausforderungen.

Enttäuschend ist für uns, dass nur wenige Vorschläge aufgenommen wurden und dass die Schulen und die Lehrpersonen mit zum Teil irreversiblen Massnahmen den Preis für den Anstieg der Schüler- zahlen und für die Plafonierung der Budgets zahlen. Das Bildungswesen wird gegenwärtig von kurz- fristigen Sparzielen dominiert. Umso wichtiger ist es, dass wir uns gemeinsam für die langfristige Sicherung und Entwicklung unseres Bildungsplatzeseinsetzen.

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